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Wie das Schulzentrum zu seinem Namen kam

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Seit Oktober 2013 trägt das Schulzentrum Steinen offiziell den Namen:

Meret-Oppenheim-Schulzentrum Steinen

Bis es allerdings soweit war, musste seitens der Schule ein langer und oftmals sehr beschwerlicher Weg beschritten werden. Ging es doch, wie sich im Verlaufe der fast dreißigjährigen Bemühungen immer wieder zeigte, auch um ein Stück Ortsgeschichte, deren Aufarbeitung – angestoßen von Seiten der Schule – für viel Diskussionsstoff sorgte.

Die Geschichte beginnt eigentlich im Jahre 1966, als im Zuge der Einweihung des sog. Mittelbaus, eines Erweiterungsbaus des alten Schulhauses, der Gemeinderat beschloss der Schule Steinen den Namen „Hans-Adolf-Bühler-Schule“feierlich zu verleihen. In einem Geleitwort begründete der damalige Bürgermeister Ludin diese Entscheidung damit, dass mit Hans Adolf Bühler „nicht nur der Ehrenbürger der Gemeinde Steinen, sondern dem Menschen und vor allem der Künstler, der zu seiner Zeit wegweisend in der Kunst des Malens geworden war“, geehrt werden soll. So hatte die Steinener Schule den Namen eines Mannes erhalten über dessen Eignung zum Namenspatron einer Bildungseinrichtung wenig bekannt war. Am 4. Juni 1877 in Steinen geboren, entwickelte er sein Talent zum „Kunstmaler“, studierte an der Kunstakademie in Karlsruhe, deren Direktor er 1932 wurde; ein Jahr später wurde er zudem zum Direktor der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe ernannt. Im Jahre 1937(!) schließlich wurde Hans Adolf Bühler Ehrenbürger der Gemeinde Steinen. Noch heute ist im Ort eine Straße nach ihm benannt. Eine Bronzebüste des Namenspatrons gestiftet u.a. mit Mitteln der Sparkassenstiftung hatte ihren Platz in der Aula der Schule.

Knapp 20 Jahre später, im Mai 1985, zum vierzigsten Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges, beschäftigten sich die Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler mit der Geschichte des Dritten Reiches und seiner besonderen Bedeutung für den Ort Steinen. Sie recherchierten in Chroniken, befragten Zeitzeugen, organisierten eine Ausstellung in der Schule. Dabei befasste sich eine Projektgruppe auch mit der Person Hans Adolf Bühler und stieß dabei auf Fakten, die in der Ortschronik Steinens unerwähnt geblieben waren. Bühler war ab 1934 Herausgeber der Kunstzeitschrift „Das Bild“. In seinen hierin veröffentlichen Aufsätzen wird seine von nationalsozialistischem Gedankengut geprägte Haltung offensichtlich. Er begrüßt das Dritte Reich als „Deutsche Erneuerung“, als „Anfang eines Tausendjährigen Reiches“, „Erwachen unserer Rassenseele“ und „Zeit der Weltenwende“. Vertreter missliebiger, moderner Kunst, wie Max Liebermann, diffamiert Hans Adolf Bühler als „größte Feinde des deutschen Volkes“ und er sah es als seine Aufgabe mit diesen „Vergiftungen des deutschen Kunstlebens“ aufzuräumen. Dies tat er dann auch indem er als Erster im Land am 8. April 1933 eine Ausstellung über „entartete Kunst“ mit dem Titel „Regierungskunst 1918 ­– 1933“ zusammenstellte u.a.  mit Werken von Liebermann, Corinth, Munch, sowie Vertreter der Künstlergruppe „Die Brücke“ wie Kirchner, Pechstein und Nolde.

Diese Erkenntnisse, die Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler im Rahmen ihres Projektes über den Namenspatron ihrer Schule gewonnen hatten, lösten in der Folge den Wunsch der Schule aus, das Namenspatronat möge aufgehoben werden. Unter dem Eindruck der Fakten, die über Hans Adolf Bühler durch das Schulprojekt zu Tage getreten waren, weisen die Schulleitung, das Lehrerkollegium sowie die Schülerschaft mit Schreiben vom 23. Mai 1985 an den Bürgermeister und die Mitglieder des Gemeinderates darauf hin, dass es „seit Jahren“ üblich sei, die Schule in Steinen lediglich „Schulzentrum Steinen“ zu nennen. Der Brief, unterschrieben von Rektor Wenz, endet mit dem Satz: „Mit der Kennzeichnung „Schulzentrum Steinen“ ist für unsere schulischen Belange eine zutreffende Benennung gegeben.“ Dieses von schulischer Seite eigenmächtige Entfernen des Namenspatrons aus dem Schulnamen führt in der Folge zu heftigen, wiederholten und sehr emotionalen Diskussionen im Gemeinderat und der Gemeindeverwaltung, in der die oft fundamental gegensätzlichen Positionen deutlich wurden. Die Causa Schulnamen landete schließlich beim Regierungspräsidium Freiburg (damals Oberschulamt Freiburg). Mit Schreiben vom 9. Januar 1986 stellt das Oberschulamt fest, dass seit der Weiterentwicklung der Schule zur Grundschule, Orientierungsstufe, Hauptschule mit Realschulzug im Jahre 1973die Bezeichnung „Bildungszentrum Steinen“ und nach 1979 die Bezeichnung „Schulzentrum Steinen  - Grundschule, Orientierungsstufe, Hauptschule mit Realschulzug“ offiziell verwendet wird. Abschließend stellt das Oberschulamt fest: „Ein Beschluss des Gemeinderates Steinen über die heutige Bezeichnung der Schule ist dem Oberschulamt nicht bekannt. Zumal die frühere Bezeichnung der Grund- und Hauptschule seit der Einrichtung des Bildungszentrums im Jahre 1973 im amtlichen Schriftverkehr nicht mehr verwendet wurde, ist diese Namensgebung nach Auffassung des Oberschulamtes mit der Einrichtung des Bildungszentrum aufgegeben worden.“ Damit war das Kapitel „Hans-Adolf-Bühler-Schule Steinen“ abgeschlossen. Aber noch nicht die Geschichte des Schulnamens.

In der Mitte der 90er-Jahre des  letzten Jahrhunderts entwickelte sich in der Schulgemeinde, angestoßen durch Mitglieder des Lehrerkollegiums die Idee, die in Steinen aufgewachsene Künstlerin Meret Oppenheim als mögliche Namenspatronin des Schulzentrums vorzuschlagen. Obgleich die Familie Oppenheim über Jahrzehnte in Steinen ansässig und Merets Vater ein in Steinen sehr angesehener Arzt gewesen war, musste man feststellen, dass über die Person Meret Oppenheims in Steinen nur sehr wenig bekannt war, und das, was man wusste, entsprach nicht unbedingt dem, was man sich unter einem „Maidli us unserem Dorf“ vorstellen mochte. Maßgeblich hat die Journalistin Ingrid Jennert durch Publikationen die Person der Künstlerin bekannt gemacht. Der Verein „Meret Oppenheim - Steinfrau aus Steinen“ wurde gegründet mit dem Ziel das Leben und Werk Meret Oppenheims der Bevölkerung Steinens und Umgebung bekannt zu machen. Vorträge und Ausstellungen wurden organisiert. Im Schulzentrum selbst beschäftigten sich Lehrkräfte und die Schülerschaft wiederholt intensiv mit der Künstlerin, deren berühmtestes Werk „Frühstück im Pelz“ im Museum of Modern Art in New York dauerausgestellt ist. Dennoch blieb der Wunsch der Schule den Namen der ehemaligen Schülerin aus Steinen im Schulnamen führen zu dürfen unerfüllt. Sowohl die Mehrheit des Gemeinderates, als auch der Bürgermeister konnten nicht überzeugt werden.

Erst beinahe weitere zwanzig Jahre später, im Jahr 2013 schien der Zeitpunkt gekommen seitens der Schule den Versuch zu wiederholen und einen Antrag auf Namensgebung „Meret-Oppenheim-Schulzentrum Steinen“ zu stellen. Zwei Ereignisse ließen für den Antragsteller den Zeitpunkt günstig erscheinen: im Juni 2013 war das Buch „Hingeschaut – Steinen im Nationalsozialismus“ von Hansjörg Noe erschienen. Das Buch wurde vom Autor im Meret-Oppenheim-Foyer des Schulzentrums vorgestellt. Das Foyer war bis auf den letzten Platz gefüllt. Ein Kapitel des Buches befasst sich mit dem  Schicksal der Familie Oppenheim (verfasst von Ingrid Jennert).  Zum anderen kehrte im Jahr 2013 zum 100. Mal Meret Oppenheims Geburtstag wieder.

So fasste die Schulkonferenz am 2. Juli 2013 einstimmig den Beschluss einen zweiten Antrag auf Änderung des Schulnamens beim Schulträger zu stellen. Bereits am Tag darauf stellte die Schulleitung mit Schreiben vom 3. Juli 2013 offiziell den Änderungsantrag. Im Einzelnen  wurden im Antragsschreiben folgende Begründungen genannt:

 „In diesem Jahr wäre die Künstlerin Meret Oppenheim 100 Jahre alt geworden. Wie bekannt ist, verbrachte Meret Oppenheim ihre Kindheit und Jugendzeit weitgehend im Ort Steinen, wo ihr Vater eine Arztpraxis hatte; hier besuchte sie auch die Volksschule.

Meret Oppenheim ist eine weltweit anerkannte Künstlerin, was sich in diesem Jubiläumsjahr darin äußert, dass große Ausstellungen zu ihrem künstlerischen Schaffen in Wien (Kunstforum Wien), Berlin (Martin- Gropius-Bau) und Hannover stattfinden. Ihr bekanntestes Objekt „Frühstück im Pelz“ – eine Ikone des Surrealismus  - ist im Museum of Art in New York zu sehen.

Seit den 1990er-Jahren beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer wiederholt mit dem Werk und der Person Meret Oppenheims. Das Schulkunstprofil orientierte und orientiert sich immer wieder am Werk dieser Künstlerin.“

In der öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 23. Juli 2013 wurde unter Tagesordnungspunkt 4 der Antrag der Schule auf Namensänderung aufgerufen. Nach einleitenden Worten bat Bürgermeister Rainer König mich um eine kurze Ausführung zum vorliegenden Antrag. Neben den im schriftlichen Antrag bereits aufgeführten Begründungen, wies ich in meinem Statement  auf den pädagogischen Aspekt dieses Namenspatronats hin. Im Sitzungsprotokoll ist hierzu folgendes zu lesen: „Die Werke und die Kunst von Meret Oppenheim würden auf Kinder und Jugendliche große Faszination ausüben und erreichen, die Welt mehrperspektivischer zu sehen.“  Ich schloss meine Ausführungen  mit dem Satz: „Das Schulzentrum würde sich glücklich schätzen, eine in Steinen aufgewachsene Person dieses Bekanntheitsgrades zu seiner Namenspatronin zu haben.“

 

Mit 15 Ja- und 5 Nein-Stimmen befürwortete der Gemeinderat den Schulnamen

„Meret-Oppenheim-Schulzentrum Steinen“

In derselben Gemeinderatsitzung wurde über einen weiteren schulpolitischen, pädagogischen Antrag der Schule abgestimmt. Nämlich über die Einrichtung eines bilingualen Zuges in der Realschule. Ohne Gegenstimme wurde dieser Antrag positiv beschieden. Nachdem auch das Regierungspräsidium Freiburg dem Antrag der Schule zustimmte, heißt die Schule in Steinen nun eigentlich

„Meret-Oppenheim-Schulzentrum Steinen“

 Grund-, Haupt- und Realschule mit bilingualem Zug

Dass dies alles zu einem positiven und von der Schule so sehr gewünschte Ergebnis nach fast zwanzigjährigen Bemühens führte, war nur durch die unterstützende Elternschaft und eine engagierte Lehrerschaft möglich. Die Eltern vertraten unterstützend und geduldig aber auch in Gesprächen mit den Gemeinderäten hartnäckig die Zielsetzung der Schule; die Lehrerschaft verlor über die lange Zeit nicht den Elan und die Zuversicht und motivierte die fast 1000 Schülerinnen und Schüler immer wieder mit großer Kreativität und fachlichem Können und Wissen, sich mit der Person und dem Werk Meret Oppenheims vertraut zu machen.  Nicht zuletzt sind unsere Schülerinnen und Schüler selbst hervorzuheben, die mit unglaublichem Esprit, mit Originalität und Freude Kunstwerke und Texte mit Bezugnahme zu Meret Oppenheim schufen und somit lernten im Sinne der Künstlerin Welt wahrzunehmen, zu interpretieren und zu erkennen, dass es viele, ganz unterschiedliche Weisen gibt Dinge zu sehen und zu bewerten. Und dass es ein Akt der Freiheit ist, sich nicht vorschreiben zu lassen, wie die Welt wahrzunehmen ist. Aber – „die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie sich nehmen“ (Meret Oppenheim)

Danke an alle, die an der Erreichung des Zieles mitgewirkt haben!

 

Oktober 2016

Wolfgang Klingenfeld, Rektor a.D.